Produktiver im Alltag: Warum analog manchmal besser ist

„45% würden bei einem Brand ihr Handy vor der Katze retten“ und „91% schlafen neben ihrem Handy“. Zwei interessante, aber auch aufrüttelnde Informationen, die ich Ende März auf der Online Marketing Konferenz Bielefeld gehört habe. Alles ist digital, das Smartphone ist unser ständiger Begleiter und wir legen es kaum noch aus der Hand. Aber macht es uns tatsächlich produktiver im Alltag? Eine Zahl, die ich besonders krass fand (vor allem weil ich mich selbst so ertappt fühle): „Im Durchschnitt schauen wir jeden Tag 150 Mal auf unser Handy“. Ich muss ja sagen, digital Detox wäre definitiv nichts für mich. Jedenfalls nicht so ganz. Aber in ein paar Bereichen gehe ich derzeit wieder zurück ins Analoge. Und was soll ich sagen? Mir geht es besser damit!

Smartphones können ja mittlerweile fast alles. Sie managen unseren Alltag, erledigen Aufgaben für uns, begleiten uns. Und nach und nach ersetzen sie immer mehr andere Gegenstände. Es verschwinden Dinge, die wir früher genutzt haben. Aber sollten wir das zulassen? Kann das Smartphone wirklich alles besser? Macht es uns Dinge leichter oder lässt uns produktiver im Alltag oder im Job werden? Ich denke, wir sollten unsere Smartphones nicht alle Bereiche des Lebens kontrollieren lassen. Bei bestimmten Dingen sollten wir lieber analog bleiben. Produktiver im Alltag also durch weniger Smartphone und weniger Apps? Warum ich in Sachen Produktivität immer weniger auf mein Smartphone setze, erzählt der folgende Text.

 

Smartphone vs. Wecker

91% der Menschen schlafen also neben ihrem Handy. Dass es nicht gut für den Schlaf ist, abends noch mit dem Smartphone herum zu daddeln, ist längst bewiesen. Auch, dass es gar nicht gut für unsere Gesundheit ist, bis spät in die Nacht hinein (oder sogar während der Schlafphasen) noch erreichbar zu sein. Das stresst uns.

Dazu kommen auch noch Ängste. Vor ein paar Wochen schon habe ich irgendwo gelesen: Die Angst, sein Handy nicht nutzen zu können, löst ähnliche Gefühle aus wie die Angst vor einem Terroranschlag. Echt jetzt? So existenziell ist die Frage also, ob wir unser Handy dabei haben oder nicht. Damit einher geht auch die Angst, etwas zu verpassen. Und dann ist da noch diese Sache, von der niemand weiß, wie gefährlich sie wirklich ist: Die Strahlung. Ich wiederhole es noch einmal, weil es mich wirklich erschreckt: Wir schauen am Tag 150 Mal auf unser Smartphone. Auch im Schlafzimmer, im Bett. Und morgens lassen wir uns von unserem Smartphone wecken. Da können wir dann direkt checken, ob neue E-Mails gekommen sind.

Ich habe mich irgendwann gefragt: Muss das denn sein? Will ich nicht lieber abends im Bett liegen und ein gutes Buch lesen? Anstatt darauf zu warten, dass irgendetwas Spannendes auf Facebook passiert? Oder dass mich jemand per WhatsApp anschreibt? Ich wollte das nicht mehr. Mein Schlafzimmer sollte eine Handy-freie Zone sein. Ich gebe zu, immer schaffe ich das (noch) nicht. Aber immer öfter.

Das Schlafzimmer als Handy-freie Zone

Das Schlafzimmer als Smartphone-freie Zone: Ein Wecker macht's möglich.Ich habe mir also einen Wecker gekauft. Er kann nichts – außer die Uhrzeit anzeigen und mich wecken. Statt eine lustige Musik zu spielen, piepst er. Er zeigt mir keinen witzigen Text an, sondern sagt mir morgens, dass es 6:30 Uhr ist. Eine einzige Sache kann er noch zusätzlich: Das Display lässt sich durch Knopfdruck beleuchten, sodass man auch nachts mal die Uhrzeit checken kann. Aber eben nicht: Facebook, WhatsApp oder E-Mails.

Mein Sohn und ich schlafen besser seitdem. Es ist nämlich auch eine Form, Nein zu sagen. Nein zu Stress, zu ständiger Erreichbarkeit und scheinbarer Produktivität. Ich sage hier scheinbar, weil unsere Handynutzung gar nicht so produktiv ist, wie wir immer tun. Denn anstatt uns auf das Wichtige zu fokussieren, verdaddeln wir unsere Zeit und werden abhängig von der Bestätigung durch Facebook-Likes und dem konstanten Rauschen des Internets. seit ich meinen Wecker nutze, sind meine Abende entspannter, mein Schlaf besser und meine Morgende produktiver. Denn ich stehe einfach auf, anstatt meine E-Mails zu checken. Das geht ohnehin besser, wenn ich am Schreibtisch sitze und den ersten Kaffee schon intus habe.

 

Kalender-App vs. Buchkalender

"Von der Hand in den Kopf" - produktiver im Alltag durch Papier und Stift.Immer wenn ich mit jemandem Termine mache, der mich noch nicht so gut kennt, dann kommt wieder dieser merkwürdige Blick. Der Blick, wenn dieser jemand sieht, dass ich meinen Kalender aus der Tasche ziehe. So einen Kalender aus Papier. Mit Seiten zum Blättern. In den man mit einem Kugelschreiber oder sonstigem Stift seine Termine und Notizen einträgt.

Diesen Blick werde ich wohl in Zukunft noch häufiger sehen, denn seit diesem Monat (also April) führe ich sogar ein Bullet Journal. Das finden viele noch abwegiger als einen Kalender: Die meisten Leute nutzen heute ja kein Papier mehr, sondern ihr Smartphone. Spätestens seit ich Abitur gemacht habe und nebenbei arbeitete, habe ich einen Kalender. Da waren Schule, Arbeit, private Termine, später Uni, Ehrenamt und sonstige Verpflichtungen. Obwohl ich sehr gut darin bin, mir Dinge zu merken, geht es irgendwann nicht mehr ohne Kalender. Erst nutzte ich Ringbücher, dann kleine Buchkalender. Mittlerweile nutze ich das klassische Moleskine Weekly Notebook (DIN A6), weil es so viel Platz für Notizen hat.

Termine auf dem Smartphone

Für eine kurze Zeit habe ich versucht, die Kalender-App meines Smartphones zu nutzen, meine Termine im Blick zu behalten. Ich fand die Tatsache charmant, dass es mich auf einen Blick über die kommenden Termine informiert. Ohne blättern, ja ohne überhaupt etwas dafür tun zu müssen. Außer das Display einschalten. Außerdem war es für mich ein Vorteil, dass ich dann ja weniger Dinge mitnehmen müsste. Das Smartphone, das ja alles kann, als einziger wichtiger Gegenstand in der Tasche.

Dann fing ich an, nachlässig zu werden. Termine, an die mich mein Smartphone ja eh erinnerte, waren nicht mehr präsent. Ich wusste ja, mein Handy würde mich anpiepsen wenn etwas ansteht. Immerhin hatte ich es ja eingetragen. Ich sah aber nicht mehr die Zusammenhänge und die Tage, sondern nur noch die Termine. Im schlimmsten Fall hatte ich immer nur die nächsten zwei Termine im Auge und alles andere war nicht wichtig. Auf der einen Seite verschlankt das mein Denken und macht Platz für anderes. Meine individuelle Planung nutzt aber gerade die Zeiträume zwischen den Terminen und die sind im Smartphone einfach nicht so gut sichtbar wie auf Papier. Mit meinen ganz eigenen, individuellen und auf mich abgestimmten Zechen, Kürzeln und Infos.

Von Verantwortung und Planung

Außerdem nervte mich mein Smartphone. Es nervte mich, dass ich immer eine Warnung bekam, wenn zwei Termine sich überschnitten. Das wurde besonders dann ärgerlich, wenn ich lange Zeiträume wie Semesterferien in den Kalender eintragen wollte. Es nervte mich auch, dass ich zusätzlich zur Startzeit immer eine Endzeit eingeben musste. Und wenn nicht, dann blieb es beim voreingestellten Zeitrahmen von einer Stunde. Und ich fand es ärgerlich, dass ich immer suchen musste, wo und wie ich jetzt genau den Ort eingebe oder in welchem Feld weitere Informationen Platz haben. Mittlerweile nutze ich das Smartphone nur noch für Geburtstags-Erinnerungen. Denn da zählen für mich die Vorteile und ich habe keine Nachteile. Die Geburtstage trage ich einmal ein und sie behalten ihre Gültigkeit.

Ein zweiter Versuch: Outlook

Irgendwann ist es bestimmt jedem schon mal passiert: Man bekommt per E-Mail eine Terminanfrage und soll sie bestätigen. Ohne die passende App kann man aus dieser E-Mail allerdings weder herauslesen, worum es geht, noch Details wie Ort und Teilnehmer erfahren. Was macht man also? Anfangen, die App zu nutzen. Dann steht da halt ein Termin drin und man kann die Anfrage auch bestätigen. Ziel erreicht.

Für mich war aber klar: Wenn ich das jetzt nutze, dann auch so richtig. Also trage ich meine anderen Termine da auch ein. Das führte aber gar nicht dazu, dass ich es mehr nutzte. Es sah zwar hübsch aus und ich fand es praktisch, dass ich alle Termine farbig nach Lebensbereich markieren konnte, aber ich nutzte es nicht. Nicht mal für die Termine, zu denen ich eingeladen worden war. Denn die hatte ich ja in meinen Papier(!)Kalender übertragen.

Ein Kalender in Outlook hat viele Vorteile - wenn man sie denn nutzt.

Alles nur Gewohnheit?

Eine Kalender-App hat sicher viele Vorteile: Zum Beispiel finde ich es super, dass man sich seine Termine mit einem Klick als Wochen-, Tages- oder Monatsübersicht anzeigen lassen kann. Ja, das kann jede Kalender-App. Ein Papierkalender kann das nicht. Zumindest nicht ohne blättern und schreiben.

Es ist wohl eine Gewohnheitssache. Ich sehe in der Nutzung der App nur eine große Zeitverschwendung. Mit meinem Kalender bin ich schneller und merke mir Dinge und Termine besser. So gesehen nutze ich Outlook nur, damit andere Leute die Sicherheit haben, dass ich zu den angesetzten Treffen erscheine. Es macht Sinn für Termine mit vielen Leuten, aber sonst eben mal so gar nicht. Jedenfalls nicht für mich. Ob mich mein Bullet Journal tatsächlich produktiver im Alltag macht, werde ich bestimmt demnächst hier im Blog thematisieren.

 

Todoist vs. Kanban

An anderer Stelle habe ich ja schon beschrieben, warum ich so gerne mit Todoist arbeite. Todoist ist eine Produktivitäts-App, mit der du deine To-do-Listen managen und so Aufgaben effizienter erledigen kannst. Ich mag diese App wirklich gern. Sie hilft dir, einzelne Aufgaben spontan unterwegs einzutragen und dann zu planen, wann du was am besten erledigen kannst. Du kannst Aufgaben in verschiedene Projekte einsortieren, Fälligkeitsdaten hinzufügen und ihnen Prioritäten zuweisen. Und wenn du etwas erledigt hast, wirst du auch noch mit Karma-Punkten belohnt.

Die digitale To-do-Liste Todoist macht dich produktiver im Alltag.

Dennoch hat mein Todoist in der letzten zeit verstärkt Konkurrenz bekommen: Seit ein paar Monaten nutze ich die analoge Variante von zielgerichtetem Projektmanagement: Kanban. Mit farbigen Post-its und Stiften plane ich wöchentlich, was ich in der kommenden Woche erledigen muss oder möchte.

Produktiver im Alltag durch Kanban

Wer es nicht kennt: Kanban ist japanisch und bedeutet so viel wie „Karte“, „Tafel“ oder „Beleg“. Es handelt sich um eine Methode der Produktionsprozesssteuerung. Aus dem Gesamtprozess (To Do/Backlog) wird eine überschaubare Anzahl an Aufgaben herausgelöst, auf die man sich in einem festgelegten Zeitraum (Doing) begrenzt. Erst wenn diese Aufgaben erledigt (Done) sind, werden die nächsten Aufgaben geplant. Kanban wird im Projektmanagement und in der Softwareentwicklung eingesetzt, man kann es aber auch für seinen privaten Workflow nutzen. Dabei muss man sich nicht auf ein bestimmtes Projekt begrenzen, sondern kann auch Aufgaben für verschiedene Lebensbereiche planen. Das Planungstool Trello orientiert sich übrigens auch an dieser Methode.

Kanban macht mich produktiver im Alltag, indem es den Gesamtprozess abbildet.

Alles auf einen Blick

Das Tolle an dieser Methode ist, dass man den Gesamtprozess im Auge behält. Und „im Auge behalten“ meine ich wörtlich, denn mein Kanban hängt über meinem Schreibtisch und ist somit immer sichtbar für mich. Erledigte Aufgaben sind nicht einfach weg, sondern werden auf die „Done“-Karte verschoben. So bleibt der Prozessverlauf sichtbar.

Für mein privates Kanban bedeutet es außerdem, dass ich mit jeder Karte, die ich verschiebe, ein Erfolgserlebnis verbinde. Ich kann dabei zusehen, wie der Bereich „Done“ sich immer mehr füllt, während der Bereich „To Do“ kleiner wird. Ja, natürlich fülle ich ihn immer wieder mit neuen Aufgaben auf und ich werfe auch ab und zu Post-its aus meinem „Done“-Bereich weg. Aber insgesamt macht es mir immer ein gutes Gefühl zu sehen, wie viel schon geschafft ist. Insbesondere dann, wenn ich für einzelne Projekte mit verschiedenen Farben arbeite. Denn dann wird es noch deutlicher, wie das Projekt sich entwickelt.

Ich kann selbst bestimmen, wie viele Aufgaben ich mir für meinen „Doing“-Zeitraum vornehme. So kann ich mir Ziele setzen, die ich auch erreichen kann. Und das gibt jedesmal wieder ein Erfolgserlebnis. Habe ich gerade eine große Aufgabe vor mir, nehme ich mir für die Wochenplanung eben insgesamt weniger Aufgaben vor. Und weiß ich, dass die Woche voll mit Terminen ist, werden die eben priorisiert abgearbeitet.

Was genau ist nun der Vorteil gegenüber Todoist?

Natürlich kann ich auch in Todoist genau festlegen, wie viele Aufgaben ich in der Woche erledigen möchte. Dafür muss ich ja nur die Aufgaben umdatieren. Was Todoist aber nicht kann, ist auf einen Blick anzeigen, was im Projekt zu tun ist, woran ich gerade arbeite und was ich schon geschafft habe. Dafür muss ich hin- und her-klicken.

Ein weiteres Plus von Kanban ist für mich, dass ich mir bewusst Zeit für die Planung nehme und von Hand meine Aufgaben aufschreibe. Indem ich plane, priorisiere ich bereits. Außerdem merke ich mir Abläufe besser und bin durch das Aufkleben der Post-its zielgerichteter als wenn ich ein Datum bei Todoist eingebe. Indem ich den ganzen Prozess vor Augen habe, kann ich Planungsfehler und Gewohnheiten erkennen und analysieren.

 

Weniger Smartphone = produktiver im Alltag?

Natürlich ist es alles Gewohnheitssache, wie man am besten arbeitet und plant. Und dennoch plädiere ich dafür, die Nutzung des Smartphones noch einmal genau zu überdenken. Es ist in allen Lebensbereichen präsent und lässt uns glauben, wir kämen ohne nicht mehr zurecht. Indem wir bestimmte Aufgaben wieder vom Smartphone loslösen, fokussieren wir mehr auf diese Dinge. Wir machen es dann nicht mehr „alles“ und „nebenbei“, sondern eines nach dem anderen, an dafür festgelegten Orten und zu festgelegten Zeiten. Wir konzentrieren uns auf das, was wir gerade tun und werden genau dadurch insgesamt produktiver im Alltag und im Job.

Wenn wir Nein zur ständigen und allumfassenden Handynutzung sagen, konzentrieren wir uns auch wieder mehr auf den Moment. Indem ich eine fest zeit für meine Wochenplanung habe, verdaddele ich in meiner Freizeit keine Zeit mehr dafür. Indem ich Entscheidungen treffe und Proioritäten setze, kann ich mir bewusst Freiräume von der digitalen Welt nehmen.

Du kannst übrigens deine eigene Handynutzung checken, um zu erfahren ob du mehr oder weniger als 150 Mal am Tag auf dein Handy schaust. Apps wie „Moment“, „Checky“ oder „Menthal Balance“ zeichnen dein Smartphone-Verhalten auf, sodass du es anschließend analysieren kannst. Vielleicht denkst du dann ja auch, dass du etwas ändern solltest.

Gibt es auch in deinem Leben Bereiche, in die dein Smartphone nicht involviert ist? Hast du Ideen und Vorschläge für mehr analoge Methoden, um produktiver im Alltag zu werden? Tipps und Ergänzungen verfolge ich gern in den Kommentaren!

 

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