Produktivität: Wie du unmögliche Projekte abschließt
Produktivität ist eines der großen Themen unserer Zeit. Immer mehr in immer weniger Zeit schaffen und dabei noch zufrieden und ausgeglichen sein. Wer wie ich zwischen mehreren Jobs hin- und herspringt und dabei auch Familie und Haushalt nicht vernachlässigen möchte, der muss seine Zeit gut einteilen. Und auch mal Abstriche machen. Denn es geht einfach nicht alles auf einmal. Und schon gar nicht sofort. Die Zauberworte für mehr Produktivität können also nur Ziele und Prioritäten heißen.
Im Netz werden wir derzeit überschwemmt von Artikeln und (Test-) Berichten über die nützlichsten Tools und Techniken, die einem das Leben leichter machen sollen. Die die Produktivität ankurbeln und alles besser machen. Auch ich nutze ein paar Tools, die meine Arbeit, aber hauptsächlich meinen Alltag strukturieren. Doch ich denke, darauf kommt es gar nicht so sehr an. Wie jemand seine Aufgaben am besten erledigt bekommt, ob man seine Termine in einen Kalender aus Papier (ja, das gibt es noch!) einträgt oder alle Aufgaben und Termine digital verwaltet, hängt ganz damit zusammen, wie man eben besser klar kommt. Das muss man ausprobieren und dann entscheiden. Wichtiger als das ist die Einstellung und der Wille. Das ist mir gerade wieder sehr deutlich geworden, als ich mich nach langem Zögern doch dazu entschied, meinen Uni-Abschluss noch zu machen.
Planung: Sortiere den Berg von Aufgaben
Bei einem Großprojekt wie diesem kommt es ganz darauf an, die wichtigen Termine und Fristen mit dem eigenen Zeitplan in Einklang zu bringen. Ich habe also zuerst jede noch so kleine Aufgabe aufgeschrieben, jeden Termin und jeden Weg, jeden Ansprechpartner. Der Berg an Aufgaben war so nicht mehr so unübersichtlich und schwer einzuschätzen, sondern er bekam eine reale Dimension. Das Problem an der Sache: Zuerst wurde der Berg immer größer. Sprechstunde hier, E-Mail da, Beratung dort. Literatur für mehrere Schreibprojekte, Lesen, Notizen machen, Gliedern, Planen, Deadlines… Es hörte nicht auf. Und ich wollte schon wieder in alte Muster verfallen: Anstatt mich mit dem Berg auseinanderzusetzen, wollte ich lieber etwas anderes machen. Prokrastination statt Produktivität. Projekte abseits von diesem Uni-Abschluss bekam ich immer erledigt und mit positivem Feedback abgeschlossen. Hier aber war ich unsicher, denn ich hatte das alles zu lange vor mir hergeschoben.
Mindset: Hör auf den riesigen Berg von Problemen zu sehen!
Ich wusste ganz genau, was ich alles noch würde erledigen müssen, um dieses Zeugnis zu bekommen. Vier Hausarbeiten, eine Abschlussarbeit. Ich wusste, ich kann nicht einfach aufhören zu arbeiten, denn dann gibt’s auch keine Kohle mehr und die Miete will bezahlt werden. Genauso kann ich auch meinen Sohn nicht einfach drei Monate in den Schrank stellen, bis ich meine Abschlussarbeit fertig geschrieben habe.
Es blieb eine Dreifachbelastung, egal wie positiv ich immer wieder auf mich einredete. Da würden auch ganz viele unangenehme Gespräche mit Dozenten auf mich zukommen, wenn ich Leistungen aus längst vergessenen Kursen nachholen wollte. Das alles schien mir unüberwindlich und nicht machbar. Oft habe ich beim Kaffee mit Freunden gesessen und gesagt, ich könne das nicht schaffen. Ich hätte doch so viele andere Verpflichtungen, das ginge einfach nicht. Keine Spur von Motivation, keine Spur von Produktivität – bezogen auf diese ganz konkreten Uni-Projekte jedenfalls. Denn andere Uni-Kurse konnte ich nebenbei noch abschließen. War nur irrelevant für mein Zeugnis oder meinen Abschluss.
Letztlich war es dann nicht mehr als eine Entscheidung. Und eine nüchterne Analyse:
1. Ich habe jeden Tag etwa fünf bis sechs Stunden zur Verfügung, um zu schreiben. Und die Nächte, die aber nicht immer produktiv genutzt werden können. Irgendwann ist der Akku mal leer.
2. Es ist ein absehbarer Zeitraum. Wenn das geschafft ist, kann ich meine Prioritäten wieder ändern.
3. Ich habe ein Netzwerk, das mich unterstützt und es wird irgendwie gehen. Vielleicht nicht gut und schon gar nicht exzellent, aber es wird gehen.
4. Haushalt ist dann eben mal Nebensache. Ich werde nur das Nötigste machen. Ich muss also ein bisschen Nachsicht üben mit mir selbst.
5. Alle Projekte, die gerade nicht unbedingt fertig werden müssen, liegen auf Eis. Die finanziellen Einbußen sind demnach ebenso zeitlich begrenzt und müssen dann eben später aufgeholt werden.
Erzähl allen und jedem von deinem Plan!
Das Wichtigste von Allem aber: Als ich eine Entscheidung getroffen hatte, habe ich jedem erzählt, dass ich den Abschluss mache. Einerseits, weil ich den Druck brauchte. Andererseits, weil ich eine Erklärung brauchte, um meine Prioritäten zu verschieben. Das Feedback war überwältigend positiv. Und auch wenn ich nicht jedes Angebot zur Unterstützung angenommen habe, so hat mir die helfende Haltung vieler Freunde und Bekannten doch einen enormen Schub gegeben. Daher: Erzähle einfach jedem, was du vorhast. Es kann nur helfen.
Zeitplanung: Es geht nur mit Routine
Ich bin ein Langschläfer und ein Morgenmuffel noch dazu. Das sind beides Eigenschaften, die ich nur noch halbherzig ausleben kann, seit ich jeden Morgen von meinem Sohn geweckt werde. Aber wenn es dann doch mal passiert, dass der Junior nicht um sechs Uhr morgens auf den Beinen ist, ignoriere ich meinen Wecker. Und das trotz all der Hinweise und guten Ratschläge, Kinder bräuchten einen festen Tagesablauf und sollten immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufstehen. Solche Ratschläge überhört man spätestens nach einem halben Jahr Elternschaft und besonders dann, wenn das Kind ein schlechter Schläfer ist. Dann freut man sich über jede Minute, die man liegen bleiben kann.
Das Problem an der Sache: Ein lascher Umgang mit der Schlummertaste am Wecker ist der Feind der Produktivität. Das wurde mir ganz besonders deutlich, als ich von der „get the flight“-Methode las. Im Grunde geht es darum, dass unsere Schludrigkeit mit der falschen Einstellung zu tun hat. Denn wenn wir morgens (eventuell schon sehr früh) einen Flug oder einen Zug erwischen müssen, dann schaffen wir es doch auch pünktlich aufzustehen! Dann klingelt der Wecker und anstatt die Schlummertaste zu drücken und uns nochmal umzudrehen, stehen wir halt auf. Das bedeutet in meinem Fall: Wenn ich zeitig aufstehe, habe ich einen entspannten Morgen mit meinem Sohn UND wir sind trotzdem pünktlich in der KiTa. Das wiederum heißt für mich: Bis zu einer Stunde mehr Zeit zum Arbeiten, ohne gemeinsame Zeit (am Nachmittag) zu verschwenden. Produktivitäts-Taste statt Schlummertaste also.
Routine: Wiederkehrende Abläufe trainieren dein Gehirn
Routine hilft übrigens nicht nur bei der Strukturierung des Tages, sondern auch bei der Strukturierung der Arbeit selbst. Meine Arbeit zum Beispiel ist in verschiedene Phasen unterteilt. Ich starte immer damit, mir einen Überblick zu verschaffen, was am jeweiligen Tag anliegt. Dabei helfen mir hauptsächlich todoist für meine To-Do-Listen und Trello für meine Redaktionspläne. Ich halte übrigens nichts davon, E-Mails und administrative Aufgaben nach hinten zu schieben und morgens mit Kreativarbeit zu starten. Ich checke zuerst meine Mails und organisiere mir den Tag so, dass ich den Kopf frei habe zum Schreiben. Andere machen das genau anders herum, auch das ist sicherlich etwas, das man ausprobieren muss.
Wichtig ist lediglich, sich ein Muster zu erarbeiten, das wiederkehrt. Unser Gehirn gewöhnt sich nämlich an solche Abläufe und funktioniert dadurch besser. Das steigert die Produktivität. Es ist zwar kein Garant dafür, dass man nicht mal zwischendurch Tage hat, an denen man wenig schafft, aber gegen die kann man eh nichts machen. Ich selber kenne mich mittlerweile ganz gut und verbringe solche unkreative und lustlose Tage dann mit Kaffee trinken oder mit Lesen. Kleine Auszeiten, die mir dann am nächsten Tag einen Schub in Sachen Produktivität geben. Manchmal motiviert es mich, etwas komplett Neues zu lernen und auszuprobieren. Damit ist die Zeit in meinen Augen am besten genutzt, denn stur an einer Kreativarbeit zu sitzen wenn der Flow sich einfach nicht einstellen will, ist pure Zeitverschwendung.
Schritt für Schritt: Feiere jeden Teilerfolg!
Die ersten schweren Gänge waren gar nicht so schwer, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Die Blockaden in meinem Kopf waren so groß gewesen, dass sich die Angst ausgebreitet hatte. Mit jedem kleinen Teilerfolg wurde ich mutiger. Es gab Unterstützung, die erstaunlich war. Alle (naja, sagen wir fast alle) wollten, dass ich dieses Ziel erreiche. Meine Dozenten, die sich auch nach Jahren noch an mich erinnerten, meine Bekannten und Netzwerkpartner, meine Kunden. Denn so sehr ich es auch hasse, ich musste meine Kunden wiederholt vertrösten. Ich sagte allen, ich könne derzeit keine neuen Projekte starten und nur die bestehenden Kooperationen fortführen. Wenn man solche Dinge erklärt, findet man übrigens meistens viel Unterstützung und Verständnis.
Jedes kleine „Erfölgchen“ habe ich „gefeiert“, obwohl ich ja eigentlich keine Zeit hatte. Doch genau das hat mir geholfen, neue Energie für die weiteren Schritte zu tanken und letztlich meine Produktivität zu steigern. Ein Feierabend-Bier in netter Gesellschaft oder sogar ein Glas Sekt auf die abgegebene Abschluss-Arbeit – es ist toll, wenn die eigene Arbeit gesehen und anerkannt wird. Natürlich wird es immer Leute geben, die das nicht verstehen können, aber wer weiß wie er sich glücklich machen kann, der ist auch nicht Burnout-gefährdet. Ich würde jedem empfehlen, auch kleine Erfolge zu feiern. Sich ganz bewusst Zeit dafür zu nehmen und sich das Schulterklopfen von so vielen wichtigen Personen abzuholen, wie es nur geht. Mit kleinen Erfolgs-Pausen merkst du erst, was du geschafft hast und kannst dich auf die nächsten Schritte konzentrieren.
&bsp;
Es geht immer etwas schief – warte nicht auf Perfektion!
Die ersten üblen Deadlines zwangen mich dazu, die Nächte durchzuarbeiten. Nachbarn, Freunde und Familie konnten von Tag zu Tag zusehen, wie meine Augenringe dunkler und ich immer unkonzentrierter wurde. Ich fürchte, ich war häufiger ungerecht und schlecht gelaunt als sonst, was besonders mein Junior zu spüren bekam. In dieser Situation aber konnte ich kaum etwas dagegen tun und vertröstete uns beide damit, dass es ja bald geschafft sei und wir dann alles nachholen. Letztlich geht es auch nicht anders, denke ich. Mit einem schlechten Gewissen oder gar Schuldgefühlen lässt es sich nur noch schlechter arbeiten und die Deadline rückt immer näher.
Ich hasse es, schlechte Arbeit abzuliefern. Im Fall meiner Abschlussarbeit musste ich mich aber mit Kompromissen zufriedengeben. Und gerade zum Ende hin, als die Zeit immer knapper und ich immer nervöser wurde, war auch mein Sohn besonders anhänglich und unzufrieden, er schlief schlecht und wollte mich jeden Morgen weniger verabschieden. Er spürte die Anspannung – wer kann es ihm verdenken? Solche Dinge lassen sich nicht planen. Und anstatt die Situation stur auszusitzen, habe ich am Tag vor der Abgabe früh Feierabend gemacht und eine extra Portion Zeit in die Familie investiert. Ich wusste, ich würde Teile der Analyse und Argumentation sowie das komplette Fazit nachts schreiben müssen. Eben alles eine Frage der Prioritäten.
Vielleicht sind die Arbeiten die besten, die man unter Druck schließlich einfach abgibt. Ich habe die Nacht durchgeschrieben und meinen Text am nächsten Morgen nach einem kurzen Kaffee lediglich kurz überflogen, bevor ich die Datei zur Druckerei schickte. Zehn Minuten vor Schließung des Prüfungsamtes habe ich die Arbeit eingereicht. Ich wusste, dass ich bestehen würde. Das reichte mir an diesem Tag, ich hatte es geschafft.
Bild: Public Domain. jill111, Pixabay
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!