Warum dich Perfektionismus beim Schreiben nicht weiterbringt
„Du Anna, ich habe im dritten Absatz deines neuen Artikels einen Fehler entdeckt. Da steht zweimal man hintereinander. Sonst finde ich ihn ganz gut.“ Das war eines meiner ersten Feedbacks auf einen Blogartikel und seitdem hat sich das Feedback auch nicht großartig verändert. Die einen sind mäkelig mit Tippfehlern, den anderen passt meine sehr mündliche, manchmal etwas flapsige Sprache nicht. Aber das meiste, eigentlich fast das gesamte Feedback auf meine Artikel bezieht sich auf die Inhalte. Und in diesem Rahmen höre ich oft, dass mein Blog hilfreich ist, dass er Tipps bietet und dass er Schreibanfänger und -interessierte weiterbringt. Dafür schreibe ich meinen Blog. Nicht für die, die nach Tippfehlern suchen.
Sprache ist eines der wichtigsten Hilfsmittel, die wir im Leben zur Verfügung haben. Sobald wir lernen wie das eigentlich geht mit dem Sprechen, hören wir nicht mehr auf, die Wirkung von Sprache zu erkunden und auszuprobieren. Erst mündlich, dann schriftlich. Und während wir da also lernen, uns mit Zeichen auf Papier und am Computer auszudrücken, lernen wir zuerst: Wir müssen korrekt schreiben. Dabei ist das gar nicht so wichtig. Denn ein Text wird nicht weniger verständlich, wenn wir fehlerhaft schreiben. Dieser Text ist ein klares Plädoyer gegen perfektionistisches Bloggen. Am Ende findest du eine Liste mit sieben Denkanstößen, die dich vor Perfektionismus beim Schreiben schützen.
Das Extrembeispiel: Buchstabensalat
Schon 1976 fand Graham Rawlinson in seiner Dissertation heraus, dass Korrektheit das Verständnis kaum beeinflusst: Wörter, bei denen Buchstaben innerhalb des Wortes vertauscht wurden, konnten trotz ihrer Fehlerhaftigkeit gut verstanden werden, wenn zumindest die Anfangs- und End-Buchstaben gleich blieben. Wichtig ist allerdings der grad der Vertauschung: Weniger vertauschte Wörter sind demnach leichter zu verstehen als Wörter, in denen viele Buchstaben vertauscht werden. Und natürlich sind auch kurze Wörter mit vertauschten Buchstaben leichter zu verstehen als lange Wörter, in denen nicht jeder Buchstabe an seinem Platz ist.
Im Jahr 2003 geisterte dann ein Beispieltext (zum Beispiel bei heise.de) durchs Netz, in dem genau dieses Phänomen beschrieben wurde:
Afugrnud enier Sduite an enier Elingshcen Unvirestiät ist es eagl, in wlehcer Rienhnelfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen, das enizg wcihitge dbaei ist, dsas der estre und lzete Bcuhtsbae am rcihgiten Paltz snid. Der Rset knan ttolaer Bölsdinn sien, und du knasnt es torztedm onhe Porbelme lseen. Das ghet dseahlb, wiel wir nchit Bcuhtsbae für Bcuhtsbae enizlen lseen, snodren Wröetr als Gnaezs. Smtimt’s?
Heißt korrekt:
Aufgrund einer Studie an einer Englischen Universität ist es egal, in welcher Reihenfolge die Buchstaben in einem Wort stehen, das einzig wichtige dabei ist, dass der erste und letzte Buchstabe am richtigen Platz sind. Der Rest kann totaler Blödsinn sein, und du kannst es trotzdem ohne Probleme lesen. Das geht deshalb, weil wir nicht Buchstabe für Buchstabe einzeln lesen, sondern Wörter als Ganzes. Stimmt’s?
Was bedeutet das jetzt für deinen Text?
Ganz einfach: Es bedeutet, dass die Welt nicht untergeht wenn du Tippfehler in deinem Blogartikel hast und ihn veröffentlichst. Es bedeutet, dass Fehler nicht im mindesten hinderlich für das Verständnis sind. Denn wenn man sogar wild Buchstaben vertauschen kann, ohne dass die Verständlichkeit stark beeinträchtigt wird, wie soll das dann passieren, wenn du nur zwei Buchstaben verdrehst? Oder wenn du einen Buchstaben weg lässt? Oder eben ein Wort zweimal hintereinander tippst.
Was Tippfehler aber bei manchen Leuten auslösen, ist ein Gefühl von „Wurschtigkeit“. „Die hat ihren Text nicht korrigiert, die hat sich nicht genug Zeit genommen, war nicht sorgfältig genug.“ Oder aber, es kommen Zweifel an deiner Kompetenz auf: „Die kann ja nicht mal richtig schreiben, was ist denn das für ein Ausdruck“ und so weiter. Manche Menschen sehen diese Fehler auch mehr als andere. Sie sehen den Fehler im Text und sind irritiert, denn „hier stimmt etwas nicht“. Das bedeutet aber nicht, dass sie einen Text sofort schlecht finden. Sie sehen einfach nur die Tipp- und Schreibfehler deutlicher als andere. Daher auch mein Ratschlag:
Lies deinen finalen Text einmal Korrektur. Wenn du selbst zu unsicher bist, dann lass ihn von jemand anderem lesen. Aber danach ist es auch gut. Denn ein, zwei Tippfehler tun deinem Text nichts.
Perfektionismus beim Schreiben: Dein innerer Kritiker
Es wird immer wieder Kritik an deinen Texten geben. Immer. Denn kein Text ist perfekt – jedenfalls nicht für jede Person. Daher schreib für deine Leser, deine Zielgruppe, deine Traumkunden. Denen müssen deine Texte gefallen. UND NUR DENEN. Und wenn dann einer meint, meckern zu müssen: Das ist nicht der Leser, den du haben möchtest. Dein Leser mag deine Texte, weil er deine Inhalte schätzt. Er wird nicht auf die Fehler schauen, sondern auf das, was er aus deinem Text mitnehmen kann.
Da gibt es aber noch eine wichtige kritische Stimme, die du überzeugen musst: Deine eigene nämlich. Diese Stimme ist der Grund, warum ich so deutlich schreibe „einmal Korrektur lesen und dann ist es gut.“ Denn du kennst es vielleicht auch: Du liest deinen Text und dir fallen auf einmal „krumme Sätze“ auf. Hier stimmt ein Anschluss nicht, dort ist die Formulierung unpassend. Und dieser letzte Satz – ist der überhaupt ein guter Ausstieg aus dem Thema?
Wegen diesen Gedanken sage ich dir: Perfektionismus beim Schreiben bringt dich nicht weiter. Denn du wirst immer etwas finden, das du optimieren kannst. Und du wirst auch immer etwas finden, das du nicht gut genug findest. Das Problem an der Sache: Du kommst aus dieser Spirale nur schwer wieder raus.
7 hilfreiche Tipps, die dich vor Perfektionismus beim Schreiben schützen
Wenn wir bloggen, dann geben wir immer auch etwas Persönliches von uns preis. Wir müssen ein Stück von uns zeigen und wir machen uns angreifbar. Daher ist dein innerer Kritiker ja auch da – er schützt dich. Wenn du allerdings produktiv bloggen und schreiben willst, dann solltest du lernen, ihn nicht allzu laut werden zu lassen. Diese Denkanstöße sollen dir dabei helfen:
- Denk an die Lesegewohnheiten im Web. Die Leser scannen deine Texte, suchen sich die essenziellen, für sie relevanten Informationen und dann klicken sie sich durch den nächsten Artikel. Dabei kommt es auf eine grundsätzliche Lesbarkeit an, nicht auf akribisch redigierte Texte.
- Bloggen ist nicht wie Diktate oder Vokabeltests schreiben. Es geht nicht darum, dass dich jemand für etwas auswendig Gelerntes oder einen formvollendeten Artikel bewertet. Du bist nicht in der Schule, da sitzt niemand am Rechner und hat den Rotstift in der Hand. Es gibt keine Noten.
- Deine Leser kennen dein Thema nicht so gut wie du. Für sie sind die Informationen neu und dementsprechend lesen sie auch. Sie schauen nicht darauf, ob der Anschluss passend ist oder nicht, sondern wie du ihnen dabei hilfst, ihre Probleme zu lösen und/oder sich weiter zu entwickeln.
- Rechtschreib- und Tippfehler vermindern nicht die Verständlichkeit eines Textes. Das ist übrigens auch in gesprochener Sprache so. Sie ist nicht perfekt; ständig verhaspeln wir uns, setzen neu an, sprechen in Halbsätzen. Aber keine Sorge: Der andere denkt immer mit – auch bei schriftlicher Kommunikation.
- Denk nur, wie viel mehr du schaffen kannst, wenn du nach einer Korrekturschleife auf „Veröffentlichen“ klickst! Kein Hadern, kein Suchen, kein Zögern. Schneller bloggen statt Perfektionismus beim Schreiben.
- Verhaltensweisen werden zu Gewohnheiten, wenn wir sie nur oft genug machen. Wenn du deinen Perfektionismus hinten anstellst und dich traust, schneller zu veröffentlichen, wirst du diese Vorgehensweise auf Dauer etablieren. Positives Feedback auf die Artikel verstärkt das noch zusätzlich.
- Regelmäßig bloggen wird dich sicherer machen, denn mit jedem Artikel lernst du dazu. Es wird immer einfacher, besonders in deinen Kernthemen, in denen du dich besonders gut auskennst. Dann entwickelt sich Selbstsicherheit statt Perfektionismus beim Schreiben.
Hast du noch weitere Tipps, mit denen wir der Perfektionismus-Falle entgehen? Wie schützt du dich vor negativem Feedback? Oder siehst du es ähnlich wie ich: Jedes Feedback ist gut und kann weiterhelfen? Schreib mir gern deine Meinung oder Fragen in die Kommentare! Und viel Erfolg beim Kampf gegen den Perfektionismus beim Schreiben!
Liebe Anna, Perfektionismus ist auch einer der Gründe, warum meine Artikel oft nicht fertig werden. Aber ich hab kein Problem mit Rechtschreibung oder Ausdruck. Bei mir ist es die Gliederung der Gedanken, die Unterteilung eines Textes mit Überschriften und Unterüberschriften, die Frage, welche Punkte relevant sind und welche nicht. Ich wollte einen Blog schreiben über die Vorteile von Homeschooling, ich habe 15 gefunden. Dann hab ich gedacht, ich schreib 3 Artikel mit jeweils 5 Gründen. Ich hab begonnen und mein Text war nach 3 (unwichtigen) Gründen so lang, dass ich ihn da abgeschlossen hab und keinen weiteren zu dem Thema mehr geschrieben habe. Der steht jetzt da sinnlos auf meiner Website herum.
Dann ist dein Problem nicht Gliederung oder Relevanz, sondern Fokus. Formulier am Anfang, bevor du anfängst zu schreiben, den Mehrwert für deine Leser. Schreib einen Satz in der Art „Mein Leser lernt beim Lesen dieses Artikels drei Methoden kennen, wie er seine Schreibblockade besiegen kann.“ oder „Mein Leser bekommt in diesem Artikel Anregungen, an welchen 4 Stellschrauben er drehen kann, um schneller zu bloggen“ oder aber „Mein Leser lernt in diesem Artikel, wie er mehr Fokus in seinen gesamten Schreibprozess legt“.
Bloggen beideutet nicht, ALLES zu sagen was du weißt. Bloggen bedeutet, einen Mehrwert für den Leser zu schaffen und zwar, indem du seine brennendsten Fragen beantwortest und Texte schreibst, die gern gelesen werden.
Fokussiere dich auf das Problem: Das Problem ist ja, dass viele Eltern Homeschooling als Überforderung betrachten, dass sie nicht wissen, wie das gehen soll. Was ist der Mehrwert, den dein Leser mitnimmt? Vielleicht „Drei richtig gute Gründe für Homeschooling“ oder „Beachte diese fünf Dinge, um Homeschooling für dich und dein Kind zu einem guten Erlebnis werden zu lassen“ oder etwas in der Art. Und dann schreibst du deinen Fokus-Satz. Und das Coole ist: Kein Anspruch auf Vollständigkeit! Es geht nur noch darum: An welchem Punkt ist der vorher bestimmte Mehrwert erreicht? Wenn der nämlich erreicht ist, ist dein Artikel fertig.
Fokus auf den Leser und das Problem – du musst nicht alles sagen, sondern nur das Problem lösen. Es ist Übungssache 😉
Hallo Anna,
als ich heute morgen deine Email für den 13. Tag von 28/29 TC 2020 gelesen habe, habe ich auch gleich den Link zu diesem Blogartikel geöffnet. Wie jeden Tag, wollte ich mir auch heute Notizen machen.
Es ist allerdings folgendes passiert. Mein Kopf hat deine Tipps gleich so umgewandelt, dass ich die Ideen sofort für meinen eigenen Blog formuliert habe. Dabei ist etwas völlig anderes herausgekommen, als ich vermutet hatte. Aber jetzt habe ich schriftlich einige Ideen festgehalten, die für die Zukunft meines Blogs wichtig sind.
Liebe Grüße
Hallo Edith,
das ist doch super! Dann bist du vielleicht schon mehr Bloggerin als du selbst glaubst! Vielleicht brauchst du keine Basics mehr, sondern nur noch meine Power-Talks 😉
Wenn du mir davon erzählen magst, freu ich mich!
Liebe Grüße
Anna